Und wenn wir von heute in die Zukunft, auf die nächsten 20 Jahre, blicken: Wo führt der Weg von &MICA hin?

Thorsten: Ein Schwer­punkt unserer Arbeit liegt momentan auf den Typologien Wohnen und Arbeiten. Darüber hinaus gibt es natürlich noch viele andere spannende Aufgaben. Künftig wollen wir uns hier wesentlich breiter aufstellen und unsere Erfah­rungen im Städtebau sowie bei Kultur- und Bildungs­bauten weiter ausbauen. Eine Entwicklung, die wir heute schon beobachten, ist die, dass sich die Komple­xität und die Größen­ordnung der Projekte verändert. Die Projekte wachsen und das Büro wächst mit.

Andreas: Ein großes Thema ist auch die Digita­li­sierung. Dabei wollen wir nicht nur mitmachen, sondern bei der Weiter­ent­wicklung auch eine aktive Rolle einnehmen, deshalb engagieren wir uns unter anderem auch in der BIM Allianz und kolla­bo­rieren mit dem Mittel­stand 4.0 Kompe­tenz­zentrum Planen und Bauen. Ebenso rückt das Thema der Nachhal­tigkeit spürbar in den Fokus. Wir haben eben die Stark­re­gen­er­eig­nisse in Deutschland erlebt – auf so etwas muss Archi­tektur nicht nur reagieren, sondern derartige Ereig­nisse müssen antizi­piert werden bei der Planung. Da sind wir zwar schon gut aufge­stellt, suchen aber nach wie vor Spezialist:innen, die Lust haben, uns zu unter­stützen. Darüber hinaus ist klar, dass ich als ursprünglich allei­niger Geschäfts­führer die Vielzahl unserer Projekte schon länger nicht mehr alleine steuern kann. Ich freue mich daher auch sehr, dass Thorsten nun noch mehr Verant­wortung übernommen hat und in die Geschäfts­führung einge­stiegen ist. Allgemein möchten wir als Büro gemein­schaft­licher auftreten, da wir auch durch unsere agilen Arbeits­struk­turen sehr kolla­bo­rativ und mit viel Eigen­ver­ant­wortung in den Teams arbeiten. Um dies abzubilden steht auch eine Namens­än­derung an, die Bezogenheit auf mich soll wegfallen.

Eine Spezia­lität von &MICA ist es, dass Ihr alle Leistungs­phasen anbietet, vom Entwurf über die Planung, den Bau und die Nutzung. Hand auf’s Herz: Habt Ihr in dem Prozess persön­liche Präfe­renzen?

Thorsten: Bei mir sind es die Konzeption und der Entwurf, auch wenn ich mittler­weile kaum noch Zeit damit verbringe. In den frühen Phasen besteht die Möglichkeit, program­ma­tisch, gestal­te­risch, und inhaltlich Einfluss zu nehmen und Standards zu setzen. Das finde ich unglaublich spannend.

Andreas: Für mich ist das ähnlich. Ebenso inter­es­siert mich die strate­gische Stand­ort­ent­wicklung, auch in Bezug auf Nachhal­tigkeit. Was ich aber auch als wahnsinnig befrie­digend empfinde, ist zu sehen, wie ein Gebäude Form annimmt, wie es wächst, wie Menschen einziehen und sich das Gebäude aneignen. Diese späte Phase ist wunderbar!

Wie schafft Ihr es, in allen Leistungs­phasen kompe­titiv zu bleiben?

Thorsten: Die HOAI gibt zwar Leistungs­phasen vor, die aufein­ander aufbauen, da der Termin­druck in den Projekten aber immer größer wird, lassen sich diese in der Realität gar nicht so scharf trennen. Wir erleben hier eine immer stärker werdende Verzahnung. Auch aus diesem Grund fördern wir einen sehr frühen internen Austausch unter den Betei­ligten der einzelnen Leistungs­phasen. Gerade dieses Wissen und der Wissens­transfer schaffen einen Mehrwert, den wir nicht erreichen könnten, wenn wir uns auf einzelne Leistungs­phasen beschränken würden.

Andreas: Es ist wichtig, die richtigen Personen zu finden, die für die Leistungs­phasen Verant­wortung übernehmen. Die Menschen machen die Qualität. Wir arbeiten gut mit festen Teamstruk­turen in den einzelnen Leistungs­phasen. Dabei gibt es spezia­li­sierte Teams für den Entwurf und die Akquise, für Kosten, Ausschreibung und für die Bauleitung. Da-rüber hinaus gibt es Teams, die Projekte von Anfang bis Ende begleiten, aber in den jewei­ligen Leistungs­phasen die Unter­stützung der spezia­li­sierten Teams nutzen. Das ist der grund­le­gende organi­sa­to­rische Ansatz, auf dem unsere Bürostruktur basiert, und letztlich haben wir das Glück, mit Spezialist:innen zu arbeiten, die ihren Job mit Leiden­schaft machen.

Was ist der Vorteil daran, alle Leistungs­phasen anbieten zu können?

Andreas: Wir können die Qualität von A bis Z beein­flussen und sicher­stellen. Ebenso können wir die Leistungs­phasen recht stark überlappen lassen, sprich: Wenn zum Beispiel gerade erst mit der Ausfüh­rungs­planung begonnen wurde, können wir parallel schon mit der Baustelle starten, falls das projekt­spe­zi­fisch Sinn ergibt.

Thorsten: Für Bauherr:innen ist es natürlich von Vorteil, nur ein Büro als Ansprech­partner zu haben, um unnötige Schnitt­stellen zu vermeiden. Diesen Wunsch nach mehr Verant­wor­tungs­über­nahme spüren wir auch an der zuneh­menden Nachfrage nach General­pla­ner­leis­tungen. Abgesehen davon profi­tieren unser Büro und die jewei­ligen spezia­li­sierten Teams stark vom internen Erfah­rungs­aus­tausch und der Expertise des jeweils anderen Bereichs. Deutlich wird das zum Beispiel am Thema der Kosten. Unser Anspruch ist es, diese so früh und so verlässlich wie möglich ermitteln zu können, ebenso die Zeitpläne inklusive einer belast­baren Einschätzung der Bauzeiten. Beides wäre unmöglich ohne das spezia­li­sierte Wissen aus den hinteren Leistungs­phasen.

Ihr widmet Euch vorwiegend den beiden Typologien Wohnen und Arbeiten. Diese sind ja während der Pandemie zu Teilen verschmolzen. Wird sich diese Erfahrung in der Archi­tektur künftig abbilden? Oder werden die Leute nun erst recht eine Diffe­ren­zierung von Wohn- und Arbeits­räumen suchen?

Thorsten: Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Wir müssen genau hinschauen: Wie arbeiten Leute zusammen, was sind ihre Aufgaben, in welcher Branche arbeiten sie? In vielen Büros kann dezen­trales Arbeiten gut funktio­nieren – wir haben aber auch oftmals mitbe­kommen, dass nach einer anfäng­lichen Euphorie fürs mobile Arbeiten viele den starken Wunsch nach Austausch haben und wieder ins Büro zurück­kommen. Das durften wir auch in unserem Büro erleben, für uns ist das ein schönes Zeichen. Künftig werden sich die Unter­nehmen stärker überlegen müssen, wie sie die Identi­fi­kation mit dem Unter­nehmen und die Begeis­terung stärken können, wenn der persön­liche Austausch fehlt. Die Bindung ist am Bildschirm eine ganz andere als in der Kaffee­küche. Auf längere Sicht wird das Büro wieder eine stärkere Bedeutung bekommen.

Andreas: Und nicht alle leben im Eigenheim, wo die Kinder friedlich auf ihrer eigenen Etage spielen. Oftmals ist produk­tives Arbeiten zu Hause gar nicht möglich, und wir sind alle ziemlich gebeutelt von dieser Zeit. Bei uns kommt hinzu, dass wir in einem Ausbil­dungs­beruf arbeiten. Hier ist eine enge Begleitung gefragt. Im Büro bekommt man einfach viel mehr mit, indem man auch mal bei einem Telefonat oder einer Bespre­chung mithört. Außerdem kommen viele unserer Kolleg:innen nicht aus Deutschland, die wollen wir auch sprachlich integrieren, was vor Ort viel besser funktio­niert.

Geht denn der archi­tek­to­nische Trend eher in Richtung Verschmelzung oder Diffe­ren­zierung von Nutzungen?

Thorsten: Lange war Nutzungs­trennung städte­baulich gewollt. Mit der Entwicklung zur Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaft störten sich die verschie­denen Nutzungen aber weniger und haben sich wieder verwoben. Der Wunsch nach gemischten Gebieten wurde immer größer. Wir haben in unserem Büro Kolleg:innen, die morgens über eine Stunde fahren, um zum Arbeits­platz zu kommen – gerade in peripheren Gebieten etablieren sich Büroformen, die näher am Wohnen dran sind. Damit meine ich nicht den heimi­schen Küchen­tisch, sondern Co-Working-Spaces mit Austausch­mög­lich­keiten. Diese Entwicklung macht natürlich nur Sinn, wenn die Flächen­bilanz zumindest gleich bleibt, sich idealer­weise aber reduziert.

Andreas: Wir haben gerade einen Bauherrn, der genau solche Co-Working-Spaces im Außen­bezirk von Großstädten entwi­ckelt. Man muss die Indivi­dua­li­sierung der Gesell­schaft anerkennen, diverse Lebens­mo­delle wollen und sollen gelebt werden, denen muss auch Rechnung getragen werden. Die Pandemie hat sicher dazu beigetragen, dass wir da auch im Denken flexibler geworden sind.

Thorsten: Aller­dings sollte diese Entwicklung auf keinen Fall den Effekt haben, dass man Flächen doppelt bereithält, das wäre ganz und gar nicht im Sinne der Nachhal­tigkeit. Wirtschaftlich wäre es auch nicht, denn: Wer zahlt für den zusätz­lichen Co-Working-Schreib­tisch der eigenen Mitarbeiter:innen?

Wie hat sich denn die Pandemie ganz konkret auf Euer Büro ausge­wirkt?

Andreas: Absolut verheerend. Wir haben einen großar­tigen, wichtigen Kollegen verloren, der an Corona verstorben ist. Der Leiter unseres Baulei­tungs­teams hatte nicht nur über 30 Jahre Bauerfahrung, sondern war vor allem Mentor und Freund. Tragi­scher­weise haben auch einige Mitarbeiter:innen Angehörige in dieser Zeit verloren.

Thorsten: Neben diesen furcht­baren persön­lichen Verlusten hat unsere Branche wirtschaftlich glück­li­cher­weise in der Zeit nicht gelitten, eher im Gegenteil. Uns sind keine Aufträge wegge­brochen, als Büro konnten wir in der Zeit sogar wachsen.

Andreas: Was die Arbeits­pro­zesse angeht, kamen wir sehr gut klar. Wir waren sofort in der Lage, mobiles Arbeiten einzu­führen – nicht zuletzt dank unseres Teams für digitale Prozesse, das den ganzen Weg technisch begleitete. All die agilen Methoden, die wir vorher schon erlernt hatten, kamen nun zum Zug. Und das ganze Team hat voll mitge­zogen.

Thorsten: Schwierig war eher die Integration neuer Kolleg:innen, die nie den normalen Büroalltag mitbe­kamen. Und natürlich die Betreuung der Mitar­bei­tenden in Ausbildung.

Wie schafft Ihr es, mit über 80 Mitarbeiter:innen an zwei Stand­orten effizient zu arbeiten?

Thorsten: Unsere Grund­struktur ist sehr teamori­en­tiert. Teams sind bei uns Einheiten von 8 bis 16 Personen, die an mehreren Projekten arbeiten. Seit zwei Jahren sind wir dabei, agile Arbeits­struk­turen bei uns zu etablieren. Die Kolleg:innen können sich die Aufgabe innerhalb ihres Projekt­teams selbst zuteilen. Die Projekt­leitung ist also nicht für die Verteilung der Aufgaben zuständig, sondern unter­stützt die Teammit­glieder jeweils bei der Aufgabe, die sie sich selbst geben. Diese Eigen­ver­ant­wortung ist zentral. In diesem Zuge wurden auch standort­über­greifend Austausch­formate einge­führt, die unsere fachliche Kommu­ni­kation klar struk­tu­rieren. Für einen schnellen Austausch unter­ein­ander nutzen wir einen internen Messaging-Dienst, der sowohl den Chat mit Einzel­per­sonen erlaubt als auch indivi­duelle Gruppen­chats. Aktuell sind wir aber auch dabei, Share­Point bei uns einzu­führen, um die Zusam­men­arbeit und den Austausch weiter zu erleichtern.

Andreas: Ebenso zentral ist das Zusam­men­ge­hö­rig­keits­gefühl. Wir versuchen, die Teams in der optimalen Größe zu halten, damit sie einer­seits mehrere Projekte betreuen, anderer­seits auch Gemein­schaft leben können. Es gibt ein paar Grund­regeln, zum Beispiel hat jedes Team einen BIM-Experten. Darüber hinaus stellt sich das Team eigen­ver­ant­wortlich auf. Und wir arbeiten mit sehr klar definierten Struk­turen. Damit vermeiden wir, dass Dinge vergessen und Fehler gemacht werden. Und es schafft wiederum Freiraum für die inhalt­liche Beschäf­tigung.

Thorsten: Das sind übrigens auch die Gründe für die ISO-Zerti­fi­zierung. Da geht es weniger um eine Profi­lierung nach außen als darum, unsere Verant­wort­lich­keiten zu definieren. Wir halten damit fest, wo Schnitt­stellen sind, wann wer wen infor­miert und so weiter.

Andreas: Unsere Bespre­chungs­formate sind ebenfalls klar struk­tu­riert und geregelt, damit wir allen dieselbe Möglichkeit der Teilhabe geben können. Durch eine gelernte Fragen­kultur versuchen wir beispiels­weise, Sugges­tiv­fragen zu vermeiden, um möglichst schnell an den effek­tiven Wunsch, das Ziel der sprechenden Person zu kommen. Wir führen auch regel­mäßig Reflek­tionen in den Teams durch und wollen das auch mit Bauherr:innen einführen. Was läuft gut, was nicht? Welche Gefühle stehen im Raum? Damit lassen sich viele Konflikte nachhaltig vermeiden.

Nachhal­tigkeit ist für Euch ein zentrales Thema. Was bedeutet der Begriff für Euch?

Andreas: Erst einmal ist der Begriff natürlich durch ökolo­gi­sches Verhalten besetzt. Aber für uns geht es bei der Nachhal­tigkeit auch darum, wie wir mitein­ander umgehen und unsere Bezie­hungen gestalten, wie wir mitein­ander kommu­ni­zieren. In Bezug auf Gebäude, die wir planen, geht es einer­seits um die ökolo­gische Nachhal­tigkeit, also beispiels­weise den CO2-Verbrauch, anderer­seits aber auch darum, wie mit Regen­wasser umgegangen wird, wie wir Überhitzung – gerade in Städten – verhindern können. Das ist ein weites Feld. Und wie können wir solche Ansprüche nicht nur bei Neubauten berück­sich­tigen, sondern bei Bestands­sa­nie­rungen integrieren? Da tragen wir eine große Verant­wortung.

Thorsten: An diesem Thema hängen ja große gesell­schaft­liche Fragen: Wie schaffen wir es, ein Gebäude im Raum zu verankern, damit es einen gesell­schaft­lichen Beitrag oder sogar Mehrwert generiert? Wie sieht ein Außenraum aus, der auch wirklich angenommen und genutzt wird? Und wir müssen uns der Flexi­bi­lität von Gebäuden annehmen. Am nachhal­tigsten ist Archi­tektur, die möglichst lange steht und genutzt wird.

Andreas: Ein weiteres Nachhal­tig­keits­thema ist die Mobilität. Wie können wir beispiels­weise ein Gebäude planen, das es den Menschen leicht macht, ihr Fahrrad zu benutzen? Wir haben für ein Unter­nehmen gerade eine Tiefgarage mit 350 Fahrrad­stell­plätzen, einer Umkleide, Duschen und einer Service­station geplant. Das prägt nicht nur das Image des Unter­nehmens, sondern steigert auch seine Attrak­ti­vität als Arbeit­geber. Und es ist nachhaltig. Was Thorsten und mich verbindet, ist unser Hinter­grund in der Immobi­li­en­öko­nomie – dieser hilft uns, Nachhal­tig­keits­an­sprüche an die Wirtschaft­lichkeit zu koppeln. Wir brauchen die klugen Argumente, warum es wirtschaftlich ist, nachhaltig zu bauen.

Eine abschlie­ßende, ganz grund­le­gende Frage: Was bedeutet Euch Archi­tektur?

Thorsten: Für mich ist Archi­tektur die Möglichkeit, an etwas Bleibendem mitzu­wirken; etwas zu schaffen, das die Umwelt prägt. Das bedeutet auch, Verant­wortung zu übernehmen, einen Mehrwert zu schaffen – nicht nur für die Auftraggeber:innen, sondern für alle Nutzer:innen und im besten Fall die ganze Gesell­schaft. Das ist natürlich ein großer Anspruch, dessen bin ich mir bewusst. Zudem müssen wir bei all dem auch den wirtschaft­lichen Aspekten Rechnung tragen. Aber es hat schon was, wenn man später an einem Gebäude vorbeigeht und sagen kann: Das habe ich mitge­staltet.

Andreas: Ich habe eine große Leiden­schaft für den Raum und für Materialien. Zum anderen faszi­niert es mich, Lösungen für Probleme zu finden. Das können ganz kleine Sachen sein, wie eine verspie­gelte Decke in einem unsäglich unattrak­tiven, niedrigen Gang einer Arztpraxis, die den Raum nach oben hin verdoppelt. Wenn man so etwas – im Kleinen wie im Großen – konzep­tionell überlegen und umsetzen kann und erlebt, dass es nicht nur funktio­niert, sondern die Nutzer:innen begeistert sind, dann entsteht ein Mehrwert, der mich sehr glücklich macht.