Best Practice Nachhaltigkeit: »Telegraph« in der DAB-Porträtreihe
Nachhaltigkeit in der Architektur muss sich nicht nur messen, sondern auch sehen lassen können. Denn ein Bauwerk erfüllt die Anfor- derungen, die mit diesem Begriff verbunden sind, nur dann, wenn neben den Kennwerten, Standards und Verbrauchsdaten auch seine Konstruktion, die verwendeten Materialien und – not least – seine Gestaltung über den Tag hinaus Bestand haben. Mit unserer Serie, die diese Projekte typologisch offen und in loser Folge präsentiert, wollen wir zeigen, wie vielgestaltig Nachhaltigkeit als integraler Ansatz jedes Entwurfs ist. Dieses Mal: Bestandspotenziale am Beispiel TELEGRAPH Berlin.
Der Wandel Berlins lässt sich fast nirgends so gut wie an der Köpenicker Straße beobachten. Über viele Jahre präsentierte sich die zwei Kilometer lange Verbindung zwischen Mitte und Kreuzberg als ein von Lücken und Brachen durchsetztes, hauptsächlich nachtaktives Provisorium. Erst die städtebauliche Entwicklung des parallel verlaufenden Spreeufers gab der Dynamik entlang dieser zentralen Achse eine Richtung.
Welches Potenzial der dort vorhandene, in Teilen versehrte historische Bestand in Verbindung mit neuen Ansprüchen an seine Nutzung zu entfalten vermag, beweist das ehemalige Post- und Telegraphenbauamt. Dort wurden die gründerzeitlichen Backsteinrelikte des Behördengebäudes revitalisiert und, ergänzt um einen Neubau, zu einem Gewerbe- und Kreativcampus auf der Höhe der Zeit ausgebaut. Was nach einer konventionellen Projektentwicklung klingt, erweist sich jedoch als Beglaubigung eines Glücksfalls: Die Bauherrin ließ sich vom beauftragten Architekturbüro davon überzeugen, anstelle eines handelsüblichen Bürostandorts ein Vorhaben zu realisieren, das Klima-, Ressourcen- und Denkmalschutz auf vorbildhafte Weise integriert und genau dadurch seinen Mehrwert schöpft.
Bei der behutsamen Sanierung des Bestands ging es vor allem um die Freilegung und Erhaltung der historischen Qualitäten: Die Ziegelkappendecken, Pfeiler und Brüstungen sind mehr als nur atmosphärische Details, sondern wertvolles strukturelles Unterpfand der nachhaltigen Neunutzung. In dem ebenfalls erhaltenen historischen Sockelabschnitt an der Straße findet der neue siebengeschossige, in den Block hineinwachsende Gebäudetrakt gewissermaßen sein Auflager. Mit seiner prägnanten Beton-Glas-Grün-Struktur verkörpert er ein veritables Stück Stadtreparatur und lässt dank seiner großzügigen Fenster die übliche Achsmaß-Optik hinter sich. Dabei hilft auch das Grün, das in eigens entwickelten Gabionen nach japanischem Vorbild an den Fassaden gedeiht und die neuen Strukturen mit den alten Ziegelresten verwachsen lässt. Irgendwann wird es die baulichen Strukturen überwuchern. Dass diese so üppig wie absichtsvoll an den Hauswänden und im Blockinneren wachsende Bepflanzung ganz nebenbei auch zum Mikroklima beiträgt, ist freilich nicht der einzige Nachhaltigkeitsaspekt, mit dem sich das Projekt für den DGNB-Gold-Standard qualifiziert hat.
Neben dem ›Cradle-to-Cradle‹-Prinzip bei der Auswahl der Baumaterialien sind es vor allem der Einsatz von Geothermie und Photovoltaik für die Heizung, Kühlung und Energieversorgung sowie die Tiefgarage – etwas anachronistisch, aber dafür mit 350 Fahrradstellplätzen, die das Ensemble zu einem Musterfall von kluger Umnutzung des historischen Bestands machen. Die Büroflächen, in den runderneuerten Altbauten sechs Geschosse mit jeweils 300 und 350 Quadratmetern sowie sieben zwischen 450 und 500 Quadratmeter große Etagen im Neubau, sind flexibel bespielbar und erlauben dank offener Grundrisse viele Strukturvarianten, sodass kleine und große Mieteinheiten möglich sind.
Abgesehen von den handfesten baulichen und technischen Vorzügen verdankt sich die zertifizierte Nachhaltigkeit vor allem der intelligenten und architektonisch hochklassigen Verbindung von Hochbau und Freiraumplanung. Denn die Anlage der Innenhöfe, die begrünten Dächer und die bereits erwähnten Fassadengabionen wurden nicht nachgeordnet, sondern zusammen mit den Hochbauplänen entwickelt. Die Landschaftsarchitektur lässt sich in diesem Fall ausdrücklich nicht auf die Aufgabe der nachträglichen Begrünung unverrückbarer Wände reduzieren. Stattdessen sind die freiraumplanerischen Strukturen ein integraler Bestandteil des Konzepts. So legen schon die großen Glasfronten eine bedacht ausgespielte Wechselwirkung zwischen Innen und Außen nahe, die von der Freiraumplanung – wohlgemerkt unter Bezugnahme auf heimische Arten – einen qualitativ eigenständigen landschaftsarchitektonischen Ausdruck erhielt. Anders gesagt: Ohne die Gartenkunst wäre die Architektur unvollständig. Die Bepflanzungen wirken sich mit ihrer Substratschicht nicht nur positiv auf die Akustik in den Büros aus; sie schlucken auch Feinstaub und sorgen für natürliche Verschattung. Sogar die Berliner Stadtnatur erhält mit diesem Projekt Flächenzuwachs. Denn das frei sprießende Grün bietet einer Vielzahl von heimischen Tierarten ihren nötigen Lebensraum.
Best Practice Nachhaltigkeit: »Telegraph« in der DAB-Porträtreihe
Nachhaltigkeit in der Architektur muss sich nicht nur messen, sondern auch sehen lassen können. Denn ein Bauwerk erfüllt die Anfor- derungen, die mit diesem Begriff verbunden sind, nur dann, wenn neben den Kennwerten, Standards und Verbrauchsdaten auch seine Konstruktion, die verwendeten Materialien und – not least – seine Gestaltung über den Tag hinaus Bestand haben. Mit unserer Serie, die diese Projekte typologisch offen und in loser Folge präsentiert, wollen wir zeigen, wie vielgestaltig Nachhaltigkeit als integraler Ansatz jedes Entwurfs ist. Dieses Mal: Bestandspotenziale am Beispiel TELEGRAPH Berlin.
Der Wandel Berlins lässt sich fast nirgends so gut wie an der Köpenicker Straße beobachten. Über viele Jahre präsentierte sich die zwei Kilometer lange Verbindung zwischen Mitte und Kreuzberg als ein von Lücken und Brachen durchsetztes, hauptsächlich nachtaktives Provisorium. Erst die städtebauliche Entwicklung des parallel verlaufenden Spreeufers gab der Dynamik entlang dieser zentralen Achse eine Richtung.
Welches Potenzial der dort vorhandene, in Teilen versehrte historische Bestand in Verbindung mit neuen Ansprüchen an seine Nutzung zu entfalten vermag, beweist das ehemalige Post- und Telegraphenbauamt. Dort wurden die gründerzeitlichen Backsteinrelikte des Behördengebäudes revitalisiert und, ergänzt um einen Neubau, zu einem Gewerbe- und Kreativcampus auf der Höhe der Zeit ausgebaut. Was nach einer konventionellen Projektentwicklung klingt, erweist sich jedoch als Beglaubigung eines Glücksfalls: Die Bauherrin ließ sich vom beauftragten Architekturbüro davon überzeugen, anstelle eines handelsüblichen Bürostandorts ein Vorhaben zu realisieren, das Klima-, Ressourcen- und Denkmalschutz auf vorbildhafte Weise integriert und genau dadurch seinen Mehrwert schöpft.
Bei der behutsamen Sanierung des Bestands ging es vor allem um die Freilegung und Erhaltung der historischen Qualitäten: Die Ziegelkappendecken, Pfeiler und Brüstungen sind mehr als nur atmosphärische Details, sondern wertvolles strukturelles Unterpfand der nachhaltigen Neunutzung. In dem ebenfalls erhaltenen historischen Sockelabschnitt an der Straße findet der neue siebengeschossige, in den Block hineinwachsende Gebäudetrakt gewissermaßen sein Auflager. Mit seiner prägnanten Beton-Glas-Grün-Struktur verkörpert er ein veritables Stück Stadtreparatur und lässt dank seiner großzügigen Fenster die übliche Achsmaß-Optik hinter sich. Dabei hilft auch das Grün, das in eigens entwickelten Gabionen nach japanischem Vorbild an den Fassaden gedeiht und die neuen Strukturen mit den alten Ziegelresten verwachsen lässt. Irgendwann wird es die baulichen Strukturen überwuchern. Dass diese so üppig wie absichtsvoll an den Hauswänden und im Blockinneren wachsende Bepflanzung ganz nebenbei auch zum Mikroklima beiträgt, ist freilich nicht der einzige Nachhaltigkeitsaspekt, mit dem sich das Projekt für den DGNB-Gold-Standard qualifiziert hat.
Neben dem ›Cradle-to-Cradle‹-Prinzip bei der Auswahl der Baumaterialien sind es vor allem der Einsatz von Geothermie und Photovoltaik für die Heizung, Kühlung und Energieversorgung sowie die Tiefgarage – etwas anachronistisch, aber dafür mit 350 Fahrradstellplätzen, die das Ensemble zu einem Musterfall von kluger Umnutzung des historischen Bestands machen. Die Büroflächen, in den runderneuerten Altbauten sechs Geschosse mit jeweils 300 und 350 Quadratmetern sowie sieben zwischen 450 und 500 Quadratmeter große Etagen im Neubau, sind flexibel bespielbar und erlauben dank offener Grundrisse viele Strukturvarianten, sodass kleine und große Mieteinheiten möglich sind.
Abgesehen von den handfesten baulichen und technischen Vorzügen verdankt sich die zertifizierte Nachhaltigkeit vor allem der intelligenten und architektonisch hochklassigen Verbindung von Hochbau und Freiraumplanung. Denn die Anlage der Innenhöfe, die begrünten Dächer und die bereits erwähnten Fassadengabionen wurden nicht nachgeordnet, sondern zusammen mit den Hochbauplänen entwickelt. Die Landschaftsarchitektur lässt sich in diesem Fall ausdrücklich nicht auf die Aufgabe der nachträglichen Begrünung unverrückbarer Wände reduzieren. Stattdessen sind die freiraumplanerischen Strukturen ein integraler Bestandteil des Konzepts. So legen schon die großen Glasfronten eine bedacht ausgespielte Wechselwirkung zwischen Innen und Außen nahe, die von der Freiraumplanung – wohlgemerkt unter Bezugnahme auf heimische Arten – einen qualitativ eigenständigen landschaftsarchitektonischen Ausdruck erhielt. Anders gesagt: Ohne die Gartenkunst wäre die Architektur unvollständig. Die Bepflanzungen wirken sich mit ihrer Substratschicht nicht nur positiv auf die Akustik in den Büros aus; sie schlucken auch Feinstaub und sorgen für natürliche Verschattung. Sogar die Berliner Stadtnatur erhält mit diesem Projekt Flächenzuwachs. Denn das frei sprießende Grün bietet einer Vielzahl von heimischen Tierarten ihren nötigen Lebensraum.